Agroforst-Experte Dr. Philipp Gerhardt über ökologische Leistungen von Bäumen auf Ackerflächen, sich ändernde Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft und die Auswahl der richtigen Baumarten
Jana Mittag im Interview mit Agroforst-Experte Dr. Philipp Gerhardt
Welche Herausforderungen gibt es in der Brandenburger Landwirtschaft mit Blick auf die Klima- und Wasserkrise?
Durch das wärmer werdende Klima ändert sich die Niederschlagsdynamik. Es herrscht über mehrere Wochen Dürre durch eine heiße Luft, die das Wasser speichert und dann alles auf einmal als Starkregen abregnet. Das hat zur Folge, dass wir in der Dürre Winderosion haben, dass wir Austrocknung haben, dass wir dann Bodenerosion durch Wasser haben und dass die Böden in der Dürre hydrophob werden. Das heißt der nächste Niederschlag perlt ab, wenn der Boden ausgetrocknet ist, und kann erst recht nicht aufgenommen werden. Wir haben also eine unglaublich große Schwankung. Der Boden, die Vegetation und die Gewässer bräuchten aber eine ausgeglichene Dynamik. Meine Überzeugung ist es, dass der Schlüssel für einen Umgang damit in der Landwirtschaft liegt. Hier sollte man zuerst ansetzen und nicht am Gewässer oder in den Mooren. Da können wir auch einiges machen und das sollten wir auch. Aber da sind wir eigentlich am Ende der Kette, da ist es schon zu spät. Viel wichtiger ist es, die Einzugsgebiete zu betrachten und da hat die Landwirtschaft eine viel, viel größere Wirkung.
Die schwankenden Niederschlagsmengen ändern die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft wesentlich. Wie kann Agroforst hier helfen?
Wir müssen verstehen, dass der Wasserdampfhaushalt in der Atmosphäre und auch der Bodenwasserhaushalt durch die Struktur der Landschaft beeinflusst werden. Hat die Landschaft Verdunstungsorgane und kann die Luft mit Feuchtigkeit anreichern und dadurch kühlen – oder eben nicht? Man muss sich die Landschaft vorstellen wie den Kühler von einem Auto, der ganz viele Lamellen hat, oder wie einen Heizkörper, der tief gefurcht ist, um möglichst viel Interaktionsfläche zu haben. Diese Interaktionsfläche haben wir in der konventionellen und biologischen Landwirtschaft weggenommen, denn bei beiden haben wir hydraulisch und meteorologisch glatte Äcker oder glattes Grünland. Wir haben über die letzten Jahrhunderte eine Landschaft geschaffen, die dafür sorgt, dass der Wind schnell und heiß ist.
So muss man auf die Landschaft schauen. Wenn ich Bäume pflanze im Agroforstsystem, dann bleibt es dazwischen am Boden feuchter und kühler. Die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) hat eine schöne Untersuchung gemacht: Ein ungefähr 70 bis 80 Hektar großer Ackerschlag wurde mit einer zweiten genauso großen Fläche verglichen, auf der Agroforst-Streifen gepflanzt wurden, also Kurzumtriebsstreifen mit Hybrid-Pappel, alle 48 Meter einer. Hier haben wir wieder das Bild vom Kühler im Auto oder vom Heizkörper. Wir haben also einen Acker mit Kühlrippen versehen, mit Struktur. Dadurch wird der Wind verwirbelt und gebremst und der Boden wird weniger durch den Wind ausgetrocknet. Das ganze System wird gekühlt und feuchter gehalten.
Sind diese positiven Wirkungen auf den Wasserhaushalt durch Agroforstsysteme auch im Ertrag spürbar? Was waren die Ergebnisse der Untersuchung der BTU?
Der Effekt ist auch im Ertrag messbar: Beim Versuch der BTU lag der Ernteertrag im Wintergetreide beim Agroforstsystem um 16 Prozent höher als auf der strukturfreien Ackerfläche. Und das bei 17 Prozent Flächenverbrauch für die Gehölze. Das heißt der Getreideertrag war ungefähr gleich hoch wie vorher. Über die Getreideernte hinaus haben wir aber den Ertrag der Gehölze, die zu Hackschnitzel verarbeitet wurden und aus denen man Energie gewinnen kann.
Und zusätzlich haben wir Humusaufbau, wir haben Kohlenstoffbindung, wir haben Lebensraum für kleine Säugetiere, für Bodenlebewesen und für Vögel, den Kühleffekt auf das Regionalklima, Feuchtigkeitsrückhalt und so weiter – also die zahlreichen wertvollen ökologischen Leistungen von Agroforstsystemen.
Warum sollten Landwirt*innen, deren Flächen unter Trockenheit leiden, auf ein Agroforstsystem umstellen? Und wie können sie das tun?
Eine Umstellung auf Agroforst bringt den landwirtschaftlichen Betrieben unmittelbar ökonomisch einen Vorteil. Wir haben insgesamt eine sehr hohe Land Equivalent Ratio, das ist die Kennzahl für die Ertragsberechnung in Mischkulturen. Das ist der Faktor, um den sich der ökonomische Gesamtertrag eines Systems bei der kombinierten Landnutzung im Vergleich zu einer einschichtigen normalen Landnutzung erhöht. Ein einfaches Beispiel: Ich habe als Landwirt einen Hektar Apfelplantage und einen Hektar Getreideanbau. Der eine Hektar Apfelplantage produziert zehn Tonnen Äpfel, der Getreideacker zehn Tonnen Getreide. Nehmen wir mal an, bei kombiniertem Anbau würde der Ertrag jeder Kultur auf acht Tonnen sinken. Dann habe ich aber allein auf einem Hektar etwa 16 Tonnen Ertrag. Ich habe also auf zwei Hektar eine Steigerung auf 32 Tonnen, anstatt vorher 20 Tonnen. Das wäre eine Land Equivalent Ratio von 1,6. Pflanzt man Nüsse, Wertholz oder Energieholz in die Streifen, kann man zudem noch höhere Preise erzielen. Wenn man dann zum gesteigerten Masseertrag noch den höheren Geldbetrag hinzuzählt, kommen wir bei Untersuchungen der BTU Cottbus-Senftenberg für Südbrandenburg auf einen Faktor von 2 bis 2,9. Sprich: Getreide und Energieholz-Kombisysteme sind dort ökonomisch fast dreimal so produktiv wie ein reiner Ackerbau.
Und wie stellen die Landwirt*innen konkret um?
Jeder Betrieb muss für sich herausfinden, was passt. Was baue ich an? Habe ich eine Direktvermarktung? Muss ich Masse produzieren? Bin ich weit weg von Städten? Mein Job als Berater ist es, mit den Betrieben genau das herauszufinden und für sie ein optimales System zu finden. Agroforstwirtschaft ist total vielfältig, es gibt viele individuelle Möglichkeiten.
Agroforst - Gehölze in der Landwirtschaft - AUFWERTEN - Atelier VorSicht
Direkt auf Vimeo ansehenQuelle: BTU Cottbus/Infogruppe Aufwerten, Gefördert vom BMBF
agroforst-info.de
Welche Anfangsinvestitionen sind bei Umstellung nötig?
Bei einfachen Systemen ist das nicht viel. Es hängt davon ab, wie viele Streifen man auf die Fläche bringt und wie breit diese gepflanzt werden. Das ist abhängig von den Maschinenbreiten und Gewohnheiten des Betriebes. Bei Energieholzsystemen schätze ich den laufenden Meter Gehölzstreifen auf fünf bis zehn Euro. Und das aber schon mit gutem Pflanzgut. Das sind ausgewählte Sorten, die wachsen auch richtig gut. Die Pappelzüchtungen, die wir hier einsetzen, die haben in den letzten drei bis vier Jahren nur Dürrejahre erlebt und die wachsen bei nur zehn bis 20 Bodenpunkten ohne Bewässerung. Trotzdem wachsen sie in drei Jahren teilweise über sechs Meter.
Und wo kann man die Gehölze beziehen? Gibt es entsprechende Baumschulen in Brandenburg?
Zum Beispiel bei mir (lacht). Ich arbeite auch mit Leuten zusammen, die diese Pappeln anbauen. Es ist aber sinnvoll, ein unabhängiges Beratungsunternehmen zu suchen: Ich bin kein Pappelproduzent. Ich schaue, dass die Leute ein für ihren Betrieb optimales Agroforstsystem bekommen. Das ist für die Bauern immens wichtig. Wenn zum Beispiel ein Walnussanbau betrieblich sinnvoller wäre, würde ein Pappelproduzent sicher trotzdem Pappeln empfehlen. Gleiches gilt für bestimmte Pflanzgut-Größen, die manche Unternehmen zum Beispiel mit ihren Maschinen nicht pflanzen können, die aber gegebenenfalls besser wären. Man muss also sehen, was ein Verkaufsgespräch ist und was eine echte Beratung und gute Planung. Eine unabhängige Beratung ist am Ende eine Win-win-Situation.
Wie wählt man denn die Hölzer aus? Haben sich bestimmte Gehölzsorten bisher besonders bewährt?
Auch das ist vom Betreib abhängig. Allein die Pappel hat ganz viele Varianten. Ich kann 20 oder 40 Zentimeter lange Steckhölzer pflanzen, ich kann 1,10 Meter lange Kurzruten pflanzen oder 1,80 Meter lange Langruten. Ich kann sie im Herbst bewurzelt pflanzen, ich kann sie im Frühjahr direkt stecken. Ich kann sie in der Reihe dichter oder weiter auseinander pflanzen – und es gibt sehr, sehr viele Sorten.
Dazu kommt die gewünschte Wertschöpfungskette: Möchte ich die Gehölze relativ klein ernten und häckseln, zum Beispiel für eine Kompostproduktion oder für eine Flächenrotte? Oder möchte ich Energieholz haben? Möchte ich sie stärker haben, damit ich wenig Rindenanteil habe und somit einen besseren Brennwert? Möchte ich schwaches oder starkes Industrieholz produzieren? Möchte ich Pappelwertholz machen, also Schälfurniere? Hierfür ist die Umtriebszeit relevant: Lasse ich sie drei Jahre stehen, fünf Jahre, acht Jahre, zehn Jahre, 20 Jahre? Je nachdem, was ich machen will. Auch hier gibt es Optimierungspotenzial, das mit einer guten Planung erschlossen werden kann.
Es gibt in Massen in der Niederlausitz ein Agroforstprojekt, das Holzhackschnitzel für ein Heizwerk produziert, auch hier mit schnellwachsender Pappel. Mit dieser Wärme werden öffentliche Liegenschaften versorgt, eine tolle kommunale Kreislaufwirtschaft ...
... und im Grunde besser als eine Solarzelle. Für Agrarsolar müssen wir Seltene Erden einsetzen, es ist keine regionale Technologie. Energie aus Hackschnitzeln zu erzeugen, ist eine viel niedrigschwelligere Technologie, die viel leichter zu warten ist, die viel weniger nicht recycelbare Abfälle produziert. Und wir haben dann den Vorteil, dass das Endprodukt wieder auf den Acker kommt. Wir haben Asche, wir haben Biomasserückstände, die als Nährstoffe wieder auf den Acker kommen. Damit haben wir einen Nährstoffkreislauf.
Also die Pappel funktioniert offenbar richtig gut. Wie ist das mit Nüssen? Wachsen die ebenso gut und oder sind sie anfälliger? Man kennt die Schwarzfärbung der Walnüsse.
Die Schwarzfärbung der Walnuss wird unter anderem durch die Fruchtfliege verursacht. Das ist lästig und erhöht deutlich den Arbeitsaufwand, kann aber durch die Verarbeitung der Nüsse behoben werden. Es ist also nicht ertragsgefährdend. Auch hier kann der positive Effekt der kombinierten Landwirtschaft genutzt werden. Setzt man Hühner unter Walnusssysteme, hat man das Problem aus der Welt, denn die Walnussfruchtfliege überlebt im Boden als kleine Made und die Hühner fressen diese weg. Beispiel: Ich habe eine mobile Hühnerhaltung kombiniert mit Pappelstreifen. Dann haben die Hühner innerhalb von einem Jahr ihren Rückzugsraum, denn im ersten Jahr wächst die Pappel etwa zwei Meter. Auf der anderen Seite vom Hühnermobil pflanze ich einen Walnussstreifen. Bei diesem setzt der Fruchtertrag sicher nach 4-5 Jahren ein und steigt dann in den nächsten 10 Jahren auf ein hohes Niveau, das viele Jahrzehnte gehalten wird. Auch bei der Walnuss gibt es wieder verschiedene Sorten, sodass man mit Blick auf Wuchshöhe und Kronenform oder auch Erntemethoden auswählen kann, was auf den eigenen Acker passt. Dazu kommen dann noch spannende Sorten mit Ertragsbeginn nach vier bis fünf Jahren, die viele Kombinationsmöglichkeiten mit Pioniergehölzen und langsamer wachsenden Nusssorten eröffnen. Für Nüsse gibt es auch einen sehr guten Markt, die Walnuss gilt als Superfood. Sie kann zu wertvollem Öl verarbeitet werden. Die Esskastanie ist genauso interessant, sie kann unter anderem auch sehr gut zu Mehl weiterverarbeitet werden. Wir haben hier in Brandenburg vielversprechende Esskastanien-Erträge bei den ersten Anlagen. Obwohl es noch ganz kleine Bäumchen sind, tragen sie schon und die Früchte reifen bei hervorragender Qualität aus. Auch im Obstanbau gibt es hier viele gute Möglichkeiten in Agroforstsystemen. Wenn die dann als Produkte an die Verbraucher*innen kommen, dann ist das für mich echte Regionalität. Sprich: Mit Agroforst können die Betriebe neue Standbeine finden, können intern, an Qualität, an Produktivität wachsen und müssen eben gerade nicht an Fläche wachsen. Und langfristig ist es ein Systemwandel: Wir können so zu einer wirklichen Regionalität kommen, mit der die kleinen und mittleren Betriebe gut existieren können.
Wie können denn Verbraucher*innen erkennen, dass es sich um ein Produkt aus Agroforstproduktion handelt? Gibt es so ein Label schon? Oder passiert da viel über Direktvermarktung?
Hier in der Region läuft viel über Direktvermarktung. Die Betriebe zeigen dann die Anbaumethode auf ihren Verpackungen auf. Der Fachverband Agroforst hat vor Jahren mal ein Agroforst-Label entwerfen lassen und das auch testweise in Cottbus in ein paar Supermärkten ausprobiert. Damit konnten die Leute nicht so viel anfangen. Das ist aber auch schon fünf Jahre her.
Welches Potenzial der Agroforstwirtschaft sehen Sie für die Kommunen? Wir haben vorhin schon kurz zur möglichen Wärmeversorgung über eine Kreislaufwirtschaft gesprochen. Andererseits haben die Kommunen vielleicht stärkere ökonomische Anreize für das Errichten von Solarparks, da sie durch die Abgabe von 0,2 Cent/kWh/Jahr Einnahmen generieren können.
Für mich ist zentral, dass die Landschaften überhaupt lebenswert bleiben. Und das sollte auch das Interesse der Kommunen sein. Wenn ich mir hier den Hohen Fläming anschaue, dann ist die Erfahrung der Menschen, dass zum Beispiel der Fluss Plane nur noch ein Viertel des Wassers führt, das alles vertrocknet. Die Kiefernwälder trocknen aus, die Buchen sterben ab, die Äcker „verwüsten“ eigentlich. Die Frage wird sein, wer in diesen Regionen in Zukunft noch leben soll.
Auch in der Stadt haben Bäume es zunehmend schwer. Wir können ja nicht mit großem technischen Aufwand grüne Oasen erhalten – in einem Klima, was dagegen arbeitet. Das ist das Problem: Die sogenannten Ökosystemfunktionen können mit den Kapitalrenditen der Freiflächen-Photovoltaik nicht mithalten. Man müsste das dann in Wert setzen und berechnen. Und die Frage ist, will man das? Eigentlich sagt einem auch der gesunde Menschenverstand, dass eine gesunde und funktionale Umwelt ein Wert ist.
Oder anders herum gedacht: Wie bemessen wir den möglichen Schaden, den großflächige und schlecht umgesetzte Solarparks anrichten können? Kommunen sollte der kohlenstoffunabhängige klimaschädliche Effekt dieser Solarparks interessieren. Wenn Gemeinden mittelfristig verschwinden wollen, sollten sie großflächige Solarparks bauen, Steingärten fördern und den Ausbau der Dorfstraßen wie in Brandenburg typisch mit Parkbuchten statt Bäumen vorantreiben. Der „Dust Bowl“ wird dann nicht auf sich warten lassen.
Gibt es Förderung für Agroforst? Und wie sehen die förderrechtlichen Bedingungen für die Umsetzung von Agroforstwirtschaft aus?
Ja, das fängt jetzt an. In Brandenburg soll die Anlageförderung für Agroforst 2024 kommen. Allerdings setzen wir ja seit Jahren Agroforstsysteme um, ohne dass es dafür eine dezidierte Förderung gibt. Trotzdem sind die alle gefördert. Das liegt daran, dass wir mit landwirtschaftlichen Dauerkulturen arbeiten. Wir pflanzen nicht einfach eine Hecke, wir legen eine landwirtschaftliche Dauerkultur an. Sprich: Wir sind nicht in der freien Landschaft, wir sind in der landwirtschaftlichen Produktionsfläche. Und damit ist es auch gefördert. Und damit brauche ich keinen Nutzungscode Agroforst, sondern ich kann die diversen Dauerkultur-Nutzungscodes für Schalen- und Steinobst, für Beerensträucher, für Mischkultur in Reihe und so weiter nehmen. Ob konventionell oder Bio, das ist egal. Und damit sind wir in der Flächenförderung drin. Wenn wir als Firma die Systeme planen, machen wir das auch digital. Das heißt, wir können die Planung flächenscharf in die Agraranträge hochladen und die Bauern haben keine zusätzliche Arbeit damit. Bei der Anlagenförderung greifen wir momentan noch sehr viel auf Stiftungsgelder zurück, also Regionale Entwicklungstöpfe, Klimaschutzfonds etc. Wir schaffen also Klimaschutzmaßnahmen und arbeiten hier auch gut mit einigen Klimaschutzstellen der Kommunen zusammen.
Also braucht es aus Ihrer Sicht gar nicht unbedingt einen dezidierten Agroforstfonds? Würde das vielleicht sogar zu einer unnötigen Verregelung und Bürokratisierung führen?
Nach der jetzigen Bundesvorlage für eine Agroforstförderung wird beispielsweise ein Mindestabstand der Gehölzreihen bei 20 Meter festgesetzt. Ich habe aber tatsächlich einige Systeme, die haben einen Reihenabstand von 18 Meter. Die fallen da durchs Raster. Auch eine Entfernung von 20 Meter bis zum Schlagrand oder mindestens drei Meter breite Gehölzstreifen sind bis jetzt vorgeschlagen worden. Das ist einfach realitätsfern und ich frage mich wirklich, welche Vorstellung von Agroforst da zugrunde lag. In der neuen Agrarförderung haben sie auch die Robinie verboten. Ich sage, im Ackerbau ist die unproblematisch. Und ehrlich gesagt wächst hier teilweise nichts anderes. Außerdem ist die Robinie betrieblich hochinteressant für hochwertiges Brennholz, Sägeholz oder Pfostenholz. Aus betrieblicher Sicht würde ich dann eher auf die Förderung verzichten und lieber die Robinie unterbringen.
Wie stehen Sie denn zum Thema Assisted Migration, also zum Ansiedeln von Baumarten aus anderen Klimazonen, von denen man vermutet, dass sie besser als Fichte, Kiefer und Buche an die Klimaveränderung hier in Brandenburg angepasst sein werden?
Von der Fokussierung auf einheimische Arten bin ich nicht überzeugt. Was ist denn einheimisch, zu welchem Zeitpunkt soll welcher klimatische Zustand abgebildet werden? Ein Beispiel: In Hessen gilt die Esskastanie als Streuobstbaum, in Brandenburg gilt sie manchen Unteren Naturschutzbehörden als fremdländische Baumart. Die Vegetation hat sich immer verändert und wird das weiterhin tun. Auch der Wald wird sich verändern: Die Buche wird hier im Hohen Fläming verschwinden, selbst wenn wir den klimabedingten Temperaturanstieg bei 1,5 Grad abfangen. Dabei haben wir hier im Hohen Fläming natürliche Buchenvorkommen, weil es hier immer ein Grad kälter war als außerhalb des Hohen Flämings. Trotzdem verschwinden sie jetzt. Nicht nur wegen des absinkenden Grundwasserpegels, sondern auch weil sie das kühle Atlantikklima zum Gedeihen brauchen.
„Unsere“ Klimazonen, in denen hier in den letzten 100 Jahren die Vegetation kartiert wurde, diese Klimazonen liegen heute längst in Schweden. Ich würde mich freuen, wenn wir hier statisches Denken aufgeben. Mit dem Klimawandel werden die Karten neu gemischt. Es geht um Vielfalt. Ja, man wird immer wieder Arten haben, die irgendwo überhandnehmen und die invasiv sind. Hier im Baruther Urstromtal finden wir die alten Windschutzgürtel aus DDR-Zeiten, da wurde viel Balsampappel und Eschenblättriger Ahorn gepflanzt. Und der Ahorn wächst jetzt einfach überall, der ist ein Klimawandelprofiteur. Und fremdländisch hin oder her – er schafft Struktur und Verdunstung und hat damit eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Temperaturdynamik in der Landschaft, er schafft Lebensraum und trägt mit seinem gut verrottbaren Laub massiv zum Humusaufbau bei.
Wir danken für das Gespräch!
Dieser Artikel ist ein Beitrag aus dem Dossier Die Zukunft des Waldes in Brandenburg.