Der Zustand unserer Wälder in Brandenburg

Er ist Wirtschaftsfaktor, Wohlfühlort, Klimaschützer – und in Gefahr. Wenn der Brandenburger Wald seine vielfältigen Funktionen behalten soll, muss er umgebaut werden.

MIschwald Breitefenn

Brandenburg gehört zu den waldreichen Bundesländern. 34,9 Prozent der Landesfläche ist mit Wald bedeckt, nur vier Bundesländer haben einen höheren Anteil. Zusammen machen die Brandenburger Wälder fast ein Zehntel des deutschen Waldbestands aus. In absoluten Zahlen belegt Brandenburg mit 1,03 Millionen Hektar Waldfläche nach Bayern und Baden-Württemberg sogar den dritten Platz im Bundesländerranking. Zum Vergleich: In diese Fläche passt die Insel Rügen elfmal. Besonders große Anteile nehmen Forstflächen in den Landkreisen Oder-Spree (48 Prozent der Gesamtfläche), Barnim (46 Prozent) und Dahme-Spreewald (45 Prozent) ein.

Aus welchen Baumarten setzen sich die Brandenburger Wälder zusammen? Laut dem Waldzustandsbericht 2021 zu 73 Prozent aus Kiefern. Weitere Hauptbaumarten sind die Eiche (Trauben- und Stieleiche, zusammen fünf Prozent) und die Rot-Buche (vier Prozent). Der Rest teilt sich auf sonstige Laubbäume (vor allem Birke, Erle, Robinie, Pappel, Rot-Eiche, Ahorn und Linde) mit 15 Prozent und sonstige Nadelbäume (Fichte, Douglasie, Lärche und Strobe) mit drei Prozent auf. Das war nicht immer so.

Übernutzung und Kahlschlag

Jahrhundertelang dominierten in den Brandenburger Wäldern Buchen und Eichen, während Kiefern nur an einzelnen sandigen Stellen wuchsen. Die enorme Nachfrage nach Holz als Brenn- und Baustoff führte von Beginn der Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert zu großflächigen Kahlschlägen. Weil die Wälder nicht nur zur Holzernte, sondern auch als Viehweide (sogenannter Hutewald) und als Lieferant von Einstreumaterial für Stallungen dienten, waren ihre Böden so stark degradiert, dass Buchen und Eichen nicht mehr nachwuchsen. An ihrer Stelle setzte die Forstwirtschaft auf die schnell wachsende und wenig anspruchsvolle Kiefer. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandene Naturschutzbewegung forderte zwar die Rückkehr zu den traditionellen Mischwäldern und erreichte, dass in Preußen einzelne Laubwälder unter Schutz gestellt wurden; etwa im ältesten Naturschutzgebiet im heutigen Brandenburg, dem 1907 unter Schutz gestellten Plagefenn bei Chorin, oder im „Faulen Ort“, von dem später noch die Rede sein wird. Dennoch blieben – auch in Folge des Zweiten Weltkriegs und der zu leistenden Reparationen – zunehmend industrialisierter Kahlschlag und Aufforstung mit Kiefern auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die übliche Form der Forstwirtschaft. Davon zeugen die heute in Brandenburg vorherrschenden Kiefernbestände.

Innerhalb des Landes sind regionale Unterschiede bei der Zusammensetzung der Baumarten zu verzeichnen: Während Laubbäume in den nördlichen Wäldern einen Anteil von rund 30 Prozent haben, kommen sie in den südlichen Wäldern mit rund 20 Prozent deutlich seltener vor. Was die Zusammensetzung der Baumarten betrifft, gelten nur rund 13 Prozent der gesamten Waldfläche als naturnah – sprich: Dort verjüngt sich der Wald von selbst durch natürlich vorkommende Arten.  

Nadelbäume als Randerscheinung

Wie der Brandenburger Wald ohne menschliche Steuerung aussehen könnte, zeigt exemplarisch das älteste Waldschutzgebiet Brandenburgs, der „Faule Ort“ in der Uckermark. Riesige, über 300 Jahre alte Rot-Buchen dominieren das rund 14 Hektar große Areal, auf dem 1923 zum letzten Mal Bäume gefällt wurden. Mittlerweile gehört das Totalreservat „Fauler Ort“ zur Kernzone des Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und ist nur zu wissenschaftlichen Zwecken zugänglich. Die letzte Inventur von 2012 verzeichnete neben der Rot-Buche mit Winter-Linde, Sommer-Linde, Berg-Ahorn, Spitz-Ahorn, Berg-Ulme, Rot-Erle, Gemeine Esche und Schwarzer Holunder weitere Laubbäume, jedoch keine Nadelbäume.

Wer einen naturbelassenen, dem Urzustand relativ nahen Buchenwald besichtigen möchte, sollte das Naturschutzgebiet „Grumsiner Forst“ bei Angermünde besuchen. Die am Rande der Kernzone entlangführenden Wanderwege vermitteln einen Eindruck, wie Brandenburg vor mehr als tausend Jahren aussah. Mit dem Spreewald verfügt Brandenburg außerdem über eine Landschaft, in der auf einer Fläche von rund 3.500 Hektar Reste von Hartholzauen mit Erlenbruchwäldern und Erlen-Eschen-Wäldern zu finden sind.

Die Lage ist ernst

Der Waldzustandsbericht 2021, in dessen Rahmen stichprobenmäßig rund 4.500 Bäume im ganzen Bundesland untersucht worden sind, verzeichnet bei 22 Prozent aller Bäume deutliche Schäden. Nur 12 Prozent der Waldbäume zeigen überhaupt keine Schäden. Am stärksten ist die Eiche betroffen, bei der 42 Prozent deutliche Schäden zeigen und nur drei Prozent völlig gesund sind. Bei der Buche liegt der Anteil der deutlich geschädigten Bäume bei 40 Prozent, während 7 Prozent keinerlei Schäden zeigen. Bei der Kiefer gehören 20 Prozent der Bäume zu den deutlich geschädigten und zehn Prozent zu den völlig gesunden; 2017 wiesen noch 50 Prozent der Kiefern keinerlei Schäden auf. Der Vergleich über mehrere Jahre zeigt, dass die Schädigungen ab 2019 sprunghaft anstiegen und 2020 und 2021 nur wenig abnahmen – die Folgen des Dürrejahres 2018 und der ebenfalls zu trockenen Jahre 2019 und 2020 sind immer noch deutlich sichtbar. Auch die Niederschläge des Jahres 2021 konnten das Wasserdefizit im Boden noch nicht wieder ausgleichen.

Seit 2019 liegt die jährliche Absterberate der Waldbäume bei knapp über einem Prozent, was ein Vielfaches des langjährigen Durchschnitts darstellt. Dieser Trend schlägt sich auch in der Menge des Schadholzes nieder: In den vier Jahren 2018 bis 2021 wurden jährlich im Schnitt fast eine Million Kubikmeter Holz aus den Brandenburger Wäldern entnommen, weil Bäume gefällt werden mussten. Die planmäßige Holzernte beträgt jährlich drei Millionen Kubikmeter. Das bedeutet: Ein Drittel des Holzes, das die Waldwirtschaft erntete, war von trockenheitsbedingt von minderer Qualität.

Dürre vergrößert andere Probleme

Die Trockenheit ist nicht die einzige Ursache des Waldsterbens, aber sie verstärkt die anderen Faktoren. Trockenstress schwächt die Waldbäume, sodass sie Stürmen schwerer standhalten können, und macht sie anfälliger für Schäden durch Insekten und Pilze. In ausgetrockneten Wäldern können sich Brände stärker ausbreiten, wenn es, wie in den letzten Jahren regelmäßig geschehen, zu fahrlässiger oder vorsätzlicher Brandstiftung kommt. Zudem hemmt über die Luft transportierter Stickstoff aus der Landwirtschaft, vor allem aus Kunstdünger, das Wachstum der Bäume, wenn er ein gewisses Maß (etwa 25 Kilogramm pro Jahr und Hektar) überschreitet. Auch die Waldbewirtschaftung mit schweren Maschinen birgt Risiken für die Baumgesellschaften, wenn sie den Boden so stark verdichtet, dass Mikroorganismen absterben und Wasser kaum noch versickern kann.

Um die Wälder samt ihrer Ökosystemdienstleistungen, Erholungsfunktionen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für die Zukunft zu sichern, müssen sie an die Folgen der globalen Erhitzung angepasst werden. Über die Notwendigkeit dieses Waldumbaus besteht im Prinzip ein breiter Konsens. Dabei geht es im Kern um die folgenden Veränderungen: höherer Anteil von Laubholz, größere Vielfalt bei den Baumarten (bevorzugt aber standortangepasste heimische Arten gemischt mit an die Erderwärmung angepassten nichtheimischen Arten), gemischte Altersklassen der Bäume und Fähigkeit zur Naturverjüngung.

Reicht das Tempo?

Wenn der Waldumbau gelingt, dann hat dies weitreichende positive Folgen. Erstens bei der globalen Treibhausgasbilanz, weil intakte Forste als CO2-Senken fungieren. Zweitens können Laubwälder während Hitzeperioden die Temperaturen lokal deutlich reduzieren. Drittens verdunsten Laubbäume anders als immergrüne Nadelbäume nur während der Vegetationsperiode Wasser, das schont den Wasserhaushalt der trockensten Region Deutschlands. Viertens bieten Laub- oder Mischwälder, wenn ausreichend Totholz im Wald verbleibt, zahlreichen Arten einen Lebensraum – davon profitieren Tiere von Insekten über Vögel bis zur 2019 nach Brandenburg zurückgekehrten Wildkatze.

Doch wann kann von einem gelungenen Waldumbau die Rede sein? In der Dekade zwischen 2005 und 2015 fanden in Brandenburg Waldumbaumaßnahmen auf rund 16.000 Hektar statt, also auf etwa 1,5 Prozent der gesamten Waldfläche. Ein 2021 veröffentlichter Evaluierungsbericht des landeseigenen Forstbetriebs wertet den Waldumbau auf 64 Prozent dieser Flächen als gelungen und auf acht Prozent als nicht gelungen. Naturschutzverbände kritisieren, mit dieser Geschwindigkeit dauere es noch über 230 Jahre, bis der Waldumbau auf der gesamten Brandenburger Forstfläche abgeschlossen ist.

Eigentümerstruktur des Waldes in Brandenburg

Eigentümerstruktur als Herausforderung

Ob der Waldumbau überhaupt beginnt, hängt maßgeblich davon ab, wem der Wald gehört. Laut Evaluierungsbericht ist der Anteil der Flächen, auf denen Waldumbaumaßnahmen stattfinden, in landeseigenen Wäldern etwa doppelt so groß wie in Wäldern im Privatbesitz. Dem Land gehören 26 Prozent des Waldes, dem Bund sechs Prozent (vor allem Militärgelände und Flächen an Autobahnen und Bahnstrecken) und sieben Prozent verschiedenen Körperschaften, etwa kommunalen Stiftungen und Gemeinden – unter letzteren ist das Land Berlin mit über 14.000 Hektar Wald auf Brandenburger Boden größter einzelner Eigentümer. Die restlichen 61 Prozent befinden sich im Privatbesitz – verteilt auf fast 100.000 Eigentümer*innen.

Diese stark parzellierte Struktur sorgt für Herausforderungen beim Waldumbau: Einigen Eigentümer*innen fehlt das Geld, um in Vorleistung zu gehen, anderen fehlt das Interesse an ihren Flächen und für manche zählt nur der kurzfristige Ertrag. Symptomatisch dafür ist, dass von den 50 Millionen Euro, mit denen der Umbau des Privatwalds bis 2019 gefördert werden sollte, nur 36 Millionen Euro abgerufen wurden. Wobei nicht unterschlagen werden darf, dass die mit dem Waldumbau verbundenen Fragen alles andere als trivial sind. Sollen Laubbäume unter den Kiefern gesät oder gepflanzt werden? Müssen Kiefernbestände dafür gelichtet werden? Sollte man sich auf die Flächen konzentrieren, wo Kiefern geschädigt, abgestorben oder abgebrannt sind? Wie sieht erfolgreiches Wildmanagement aus, das Jungpflanzen vor Verbiss schützt? Sollen Flächen eingezäunt werden oder muss mehr Jagd stattfinden? Da sich die Antworten auf diese Fragen je nach lokalen Gegebenheiten unterscheiden können, ist eines klar: Die Beratung für private Waldeigentümer*innen muss intensiviert werden.

 

Dieser Artikel ist ein Beitrag aus dem Dossier Die Zukunft des Waldes in Brandenburg.