Gestörter Wasserhaushalt in Kohleregionen

Der Braunkohleabbau in der Lausitz bedeutet seit vielen Jahrzehnten einen massiven Eingriff in den Wasserhaushalt der Regionen.

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Damit die Kohlegruben nicht voll Wasser laufen, muss während der Kohleförderung der Grundwasserspiegel bis unter das Niveau der Kohleflöze abgesenkt, also beständig Grundwasser abgepumpt werden. Wegen der Vielzahl der Tagebaue in der Lausitz insbesondere zu DDR-Zeiten entstand in den 1970er Jahren aus diesen einzelnen Absenkungstrichtern ein gigantisches entwässertes Gebiet, aufgrund seiner Kontur Lausitzer Löwe genannt. Anfang der 1990er Jahre umfasste es ca. 2.000 km² – eine Fläche fast so groß wie das Saarland!

Jahrzehntelang wurden also die Grundwasserspeicher nahezu in der gesamten Lausitz beständig geleert und vor allem über die Flüsse Spree und Schwarze Elster abgeleitet. Diese wurden für die abgepumpten Wassermengen vertieft und verbreitert. Für die vier noch aktiven Lausitzer Tagebaue werden noch heute täglich fast eine Million Kubikmeter Wasser aus dem Boden gepumpt und dann zur Flutung von Restseen verwendet, in Flüsse eingeleitet oder als Kühlwasser in den Kohlekraftwerken genutzt, wo es zu einem großen Teil verdunstet.

 

Nach Beendigung der Tagebautätigkeit regenerieren sich die Grundwasserleiter selbstständig über eine Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten. So konnte sich in den vergangenen 20 Jahren das Wasserdefizit um 6,1 Milliarden Kubikmeter auf 0,9 Milliarden Kubikmeter reduzieren. Auch nach dem aktuell für 2038 anvisierten Ende des Braunkohletagebaus wird sich der Wasserhaushalt in der Lausitz erst frühestens Ende des Jahrhunderts eingepegelt haben.

Doch vieles wird ganz anders sein als zuvor, denn mit der Rückkehr des Wassers fangen viele Probleme erst an: Infolge der großflächigen Trockenlegung kommt es zu einer Belüftung der Bodenschichten. Die Folge ist eine chemische Reaktion (Oxidation) der darin enthaltenen schwefel- und eisenhaltigen Gesteine Pyrit und Markasit mit dem Luftsauerstoff. Diese Pyritverwitterung führt beim Wiederanstieg des Grundwassers zur Freisetzung vor allem von Sulfat- sowie Eisen- und Wasserstoffi onen. Letztere führen zu einer Versauerung des Wassers. Außerdem lösen sich im Gestein enthaltene Schwermetalle. Die Auswirkungen wurden zuerst besonders in den niederschlagsreichen Jahren 2010/11 in den Gewässern der Lausitz sichtbar: Sobald der Grundwasserspiegel soweit gestiegen war, dass er wieder die Oberflächengewässer speiste, tauchte in diesen ein ockerfarbener Schlamm auf. Das Phänomen wurde als Braune Spree bekannt und ist für die Ökosysteme in Gewässern eine Katastrophe. Der Sauerstoff im Wasser wird knapp, der feine Schlamm setzt sich in den Kiemen der Wassertiere ab, Tiere und Pflanzen sterben. Zunächst wurde versucht, das Problem zu ignorieren oder durch „kreative“ Lösungen zu umgehen: Der damalige Bergbaubetreiber Vattenfall verlegte zum Beispiel die Eisenmessstellen einfach so weit von den Grundwassereinleitstellen weg, dass die Grenzwerte eingehalten wurden.

Seit einigen Jahren wird in Grubenwasserreinigungsanlagen dem braunen Wasser Sauerstoff, Kalk und ein Flockungsmittel zugegeben, so dass der Eisenhydroxidschlamm ausfällt, also separiert werden kann. Auch in der Talsperre Spremberg und deren Vorsperre Bülow setzen sich große Mengen des Schlamms ab. Damit konnte bisher die Verockerung des Biosphärenreservates Spreewald größtenteils verhindert werden. Was aber passiert bei einem Hochwasser, wenn die Talsperre abgelassen werden muss und der dort abgesetzte Schlamm mitgerissen wird? Ein ungelöstes Problem ist auch die Entsorgung des Eisenschlammes, der zum Teil auch mit Schwermetallen und Arsen belastet ist. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), welche die ehemaligen DDR-Tagebaue saniert, plant, den Schlamm in einem Tagebaurestsee endzulagern, weil eine extra Deponie für die riesigen Schlammmengen zu teuer wäre.

Unsichtbar und noch schwieriger zu bekämpfen ist das Sulfat, das mit dem Hochgepumpten Sümpfungswasser aus den aktiven Tagebauen oder überlaufenden Restseen in die Fließgewässer gelangt. Es ist nur sehr aufwendig zu entfernen und setzt sich nicht ab, so dass es in der Spree weit flussabwärts getragen wird. Im Berliner Müggelsee trägt es zur Überdüngung bei und in den Wasserwerken Friedrichshagen (Berlin) und Briesen, welches Frankfurt/Oder mit Trinkwasser versorgt, wird es zusehends schwieriger, den Trinkwassergrenzwert für Sulfat von 250 mg/l einzuhalten. Dem Bergbaubetreiber wurden aber bisher keine Auflagen in Form von Sulfatgrenzwerten gemacht. Aus den Grubenwasserreinigungsanlagen strömt daher Wasser mit bis zu 1.700 mg/l Sulfat (Tagebau Nochten). Die bislang einzige Lösung ist, das sulfathaltige Wasser mit möglichst viel sulfatarmem Wasser zu verdünnen. Dazu wird von der Flutungszentrale Lausitz immer dann Wasser aus den sächsischen Talsperren und Speicherseen zugegeben, wenn der Sulfat-Richtwert bei Spremberg überschritten wird. Aber nicht immer steht genug sauberes Wasser zur Verfügung und Modellrechnungen zeigen, dass die Verdünnung schon jetzt an ihre Grenzen stößt. Es wird noch schlimmer, wenn durch die ausbleibenden Niederschläge im Sommer immer weniger Wasser in den Speichern vorhanden ist. Die Sulfatwerte in der Spree drohen daher zukünftig stark anzusteigen. Man steckt in einem Dilemma, denn wenn das Wasser zur Sulfatverdünnung nicht reicht, ist bisher die einzige Gegenwehr das hochbelastete Wasser in andere Gewässer wie Tagebauseen oder die Neiße einzuleiten – das verringert aber immer auch die Wassermenge in der Spree. Und bei dieser wird das Wasser zunehmend knapp.

Wenn die Kohle abgebaggert ist, bleibt ein Mengendefizit, d. h. ein Loch im Boden. Die einfachste Variante ist es, dieses Loch mit Wasser zu füllen: ein Tagebaurestsee entsteht. In der Lausitz sind so bereits ca. 14.000 Hektar Seenfläche entstanden, insgesamt sollen es ca. 16.000 Hektar Wasserfläche der LMBV plus ca. 7.700 Hektar der LEAG werden. Gleichzeitig steigt durch den Klimawandel die Verdunstungsrate in der Region deutlich an. Aus den Seen könnten zukünftig etwa 200 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr verdunsten – deutlich mehr als ganz Brandenburg verbraucht! Unklar ist, wo das Wasser für die verbliebenen Tagebauseen herkommen soll, wenn die Dürre anhält. Die Flutung des Cottbuser Ostsees – er soll der größte künstliche See in Deutschland werden – musste nach wenigen Tagen wieder gestoppt werden, da das Wasser fehlte. Und wenn der Wasserstand in den Restseen zu niedrig ist, drohen Rutschungen. Der für den Tourismus wichtige Senftenberger See musste daher 2018 bereits gesperrt werden.

Die Klimakrise hat für die Lausitz also dramatische Folgen, es ist zu trocken. Die Spree besteht phasenweise bis zu zwei Dritteln aus (sulfatreichem) Sümpfungswasser. Das Wasser fehlt zwar in der Region, aber ohne diese Einleitung droht der Spree akuter Wassermangel. Mit dem Kohleausstieg wird das Sulfatproblem geringer, aber es braucht eine Lösung für die Übergangszeit, bis das ansteigende Grundwasser die Abflüsse wieder stabilisiert. Mittelfristig müssen auch die Flüsse wieder an die verringerte Wassermenge angepasst werden. Ob der Traum vom Lausitzer Seenland mit der Klimakrise zusammenpasst, wird sich noch zeigen müssen. Aktuell wird sogar die alte, extrem aufwendige Idee einer Wasserüberleitung aus der Elbe wieder diskutiert. Es braucht jetzt schnell fachliche Gutachten und einen Austausch zwischen den Expert*innen, um eine Lösung für die Wasserproblematik in der Lausitz zu finden.